Welten.Wandel: Dvoráks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“
Unter dem Titel „Welten.Wandel“ präsentiert das Studentenorchester mit der 9. Sinfonie von Antonin Dvořák wohl eines der bekanntesten sinfonischen Werke überhaupt. Die Sinfonie, die während eines Amerika-Aufenthalts des Komponisten entstand und durch Jubelstürme in der Carnegie-Hall in New York geadelt wurde, verbindet neue und alte Welt, tschechische Folklore mit afroamerikanischen Spirituals und findet so zu einer ganz eigenen Klangsprache. Schon als sein Schiff in den New Yorker Hafen einfuhr und die Freiheitsstatue in den Blick kam, hatte die Neue Welt Dvořák für sich gewonnen: „Diese Aussicht ist berauschend“. Diese Aussicht schloss nicht nur die Leitung eines neu gegründeten Konservatoriums in New York mit ein, ein prestigeprächtiger Posten mit dem ungefähr 25-fachen seines bisherigen Gehalts, sondern insbesondere den Auftrag, eine für ihn unbekannte Welt musikalisch neu zu erschließen. Das New Yorker Musikleben war noch stark von deutschen und italienischen Traditionen geprägt und erst allmählich entstand der Wunsch, für das erst kürzlich durch Bürgerkrieg zerrissene Land eine eigene amerikanische Tonkunst zu finden. Dvořák schien dafür der geeignete Mann zu sein, war er doch selbst ein berühmter Nationalkomponist, der es wie kein zweiter verstand, den spezifischen Klang eines Landes und seiner Leute in Musik zu fassen. Er machte sich selbst keine Illusionen über die gewaltige Aufgabe, die ihn erwartete: „Die Amerikaner erwarten große Dinge von mir. Vor allem soll ich ihnen den Weg ins gelobte Land und in das Reich der neuen, selbstständigen Kunst weisen, kurz, eine nationale Musik schaffen!“.
Das Land lernte Dvořák über Begegnungen mit Menschen und ihren Liedern kennen, nicht durch ausgedehnte Reisen. Typisch amerikanisch erschien ihm, dem Bürger einer patriarchalen Ständegesellschaft, das Streben nach demokratischer Teilhabe und Gleichheit. Er hörte gerade denen aufmerksam zu, denen dieses Versprechen noch vorenthalten wurde, und auf deren Kosten sich der Mythos des freien Amerika aufrechterhielt. Ganz zum Ärger manches selbst erklärten Nationalkomponisten, für den sich eine amerikanische Musik nur an einem westlichen Kunstideal zu orientieren habe, sah Dvořák in den afroamerikanischen Spirituals und der Musik der indigenen Bevölkerung die Grundbausteine für seinen amerikanischen Klang. Die vielfältigen Melodien und neuen Rhythmen übernahm er aber nicht einfach für seine Musik, sondern sezierte sie so lange, bis er zu ihren charakteristischen Zügen vorgedrungen war, um sie in seinen eigenen Motiven aufzunehmen. Dabei stieß er aber auch immer wieder auf musikalische Eigenheiten, die ihm aus der slawischen Folklore der Alten Welt schon bestens bekannt waren. Das Ergebnis ist für die einen eine völlig neue Musik von der Weite der amerikanischen Landschaften, für die anderen eine vom Heimweh durchdrungene tschechische Sinfonie, und als Synthese vielfältiger kultureller Einflüsse wohl am meisten eins – typisch amerikanisch. Der erste Satz wird durch eine sehnsuchtsvolle Einleitung eröffnet, einer Reminiszenz an die alte Welt, bevor der Aufbruch in das Unbekannte durch das den rhythmisch den Spirituals verpflichtete Hauptthema in den Hörnern markiert wird. Während in den Seitenthemen in der Form einer tschechischen Polka tänzerisch amerikanische Volkslieder anklingen, steigert die dramatische Durchführung die Spannung, die sich in der kraftvollen Coda entlädt. Im zweiten Satz, ein ursprünglich mit „Legenda“ überschriebenes Largo, erklingt eine wehmütige Melodie des Englischhorns im Gestus eines musikalischen „Es war einmal“. Klagende Töne werden im Mittelteil von einer erahnten Naturidylle flankiert, bevor die Musik wieder ganz in sich kehrt. Der dritte Satz ist ein wuchtiges Scherzo, für das Dvořák durch die Tänze der indigenen Bevölkerung Amerikas inspiriert worden sein soll, das sich zwischenzeitlich in böhmischer Walzerseligkeit auflöst und in den chromatisch abfallenden Linien schon ordentlich swingt. Höchst dramatisch steigt der 4. Satz mit einem scharfen Marschthema in den Blechbläsern ein, das voller Energie vom ganzen Orchester übernommen wird. Der Mittelteil verwebt kunstvoll alle Themen der bisherigen Sätze, bevor die Musik in einer Schlussapotheose mündet, die im Schlussakkord verhalten und nachdenklich ausklingt.
Studentenorchester Münster
Ob Solokonzerte, sinfonische Werke, zeitgenössische Kompositionen oder Werke aus Tanz, Theater, Film – das Studentenorchester Münster (SOM) ist musikalisch topfit, in der Programmgestaltung unkonventionell. Von Studierenden der Westfälischen-Wilhelms Universität gegründet, sitzt das SOM seit 1976 fest im Sattel. Rasch etablierte es sich im kulturellen Leben der WWU sowie der Stadt. 75 Team-Mitglieder, mitunter Studierende der WWU, der Musikhochschule Münster sowie Berufstätige, fiebern in Trainingsphasen an Probenwochenenden, -tagen und Donnerstagabenden der Zielgeraden – den halbjährlich stattfindenden Abschlusskonzerten – entgegen.
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